Samstag, 22. April 2017

Wahljahr 2017

- auch in Ecuador -




Das Wahlsystem

Alle vier Jahre finden in Ecuador Präsidentschafts- und Parlamentswahlen statt. Für Bürger im Alter von 18-65 Jahren gilt eine Wahlpflicht. Die Wahl für 16-18 Jährige ist freiwillig. Wahlpflichtige Bürger erhalten nach ihrer Stimmenabgabe wichtige Papiere. Wird die Wahlpflicht nicht eingehen, erhalten die Bürger diese Papiere nur nach der Zahlung einer Geldstrafe.
Je nach Provinz gibt es eine gewisse Anzahl an Parlamentariern, die gewählt werden können. Im "Asemblea Nacional" (Nationalversammlung Ecuadors) sind 137 Sitze.
Der Präsident darf höchsten zwei aufeinanderfolgende Vierjahresperioden regieren. Möchte er erneut kandidieren, so muss er für mindestens eine Vierjahresperiode aussetzen. Die Präsidentschaftswahl erfolgt in zwei Runden. In der ersten Wahlrunde wird zwischen allen zur Wahl anstehenden Kandidaten gewählt. Die zwei Kandidaten mit den meisten Stimmen treten dann in einer zweiten Wahlrunde erneut an. Diese Stichwahl findet nur in zwei Fällen nicht statt. Entweder einer der Kandidaten erreicht bereits in der ersten Wahlrunde über 50 Prozent der Stimmen und somit eine absolute Mehrheit oder ein Kandidat erreicht 40 Prozent der Stimmen und hat mindestens 10 Prozent Vorsprung vor dem Kandidaten mit den zweitmeisten Stimmen.
Am Wahlwochenende gilt in Ecuador die "Ley Seca" ("das trockene Gesetz"). Es darf weder Alkohol verkauft, noch zu sich genommen werden. Bei Verstoß gegen dieses Gesetz ist eine Geldstrafe ($187,50) zu zahlen.


Bilanz der Correa-Dekade

 Rafael Correa

Der aktuelle Präsident Rafael Correa kann nicht erneut zur Wahl antreten, da er bereits zwei aufeinanderfolgende Vierjahresperioden regiert hat. Er ist der erste Präsident Ecuadors, der für mindestens 8 Jahre regierte (Januar 2007-Mai 2017). Er ist Gründungsmitglied der Linken Regierungspartei Alianza PAIS.
Correa nennt seine Politik die "revolucion ciudadana" ("Revolution des Volkes"), die vor allem zu Gunsten der ärmeren Bevölkerung ausgerichtet ist. Er erfreut sich in weiten Teilen des Landes an großer Beliebtheit und ist wahrscheinlich der beliebteste Präsident in der Geschichte Ecuadors. Wichtig für Ecuador war vor allem, dass er politische Stabilität in den Andenstaat gebracht hat. In den zehn Jahren vor Correa gab es acht verschiedene Präsidenten.
Durch seine Politik hat er es geschafft, die Armutsrate extrem zu minimieren. Unter der Präsidentschaft Correas sank von 2007-20014 die Armut um 38% und die extreme Armut wurde fast halbiert (Senkung um 48%). Erzielt wurde dies durch das Wirtschaftswachstum und zahlreiche Beschäftigungsprogramme. Der eingeführte Mindestlohn von $375 (pro Monat) ist einer der höchsten in Südamerika.
Desweiteren baute die Correa-Regierung die Infrastruktur stark aus. Neben dem bereits verbesserten Busnetz wird zurzeit eine U-Bahn in der Haupstadt Quito errichtet. Investiert wurde neben dem Wohnungsbau vor allem in das Bildungs- und Gesundheitswesen. 2,1% des BIP steckte die Regierung in höhere Bildung (höchster Wert in Südamerika). Finanziert wurde dies zum Großteil durch erhöhte Steuern für private Unternehmen und die Oberschicht.
Durch diese Maßnahmen bekam Correa viele Gegner bei den Konservativen. All dies hat er in Zeiten der Finanzkrise 2008/09 und des seit 2014 fallenden Ölpreis  verwirklicht (Öl macht etwa 60% des Exports und fast ein Viertel der Staatseinnahmen Ecuadors aus). Correas Gegener werfen ihm vor allem vor, dass er Ecuador durch mehrere Öl-Deals und Kredite abhängig von China gemacht hat.
In einem Bericht vom "Center for Economic and Policy Research" (CEPR) über die Correa-Ära wurde Ecuador als "Vorbild für Länder des Globalen Südens" bezeichnet.
   

Wahlen 2017

1. Wahlrunde (19.Februar)
Zur Präsidentschaftswahl 2017 traten acht Kandidaten an. Die erste Wahlrunde sowie die Parlamentswahl fanden am 19. Februar statt. Des Weiteren gab es ein von Correa gewünschtes Referendum. Künftig soll es Politikern und öffentlichen Angestellten untersagt sein, Geld in Steueroasen zu hinterlegen. 55,12% und somit die Mehrheit stimmten für das Referendum.
Für die Regierungspartei Alianza PAIS trat Lenin Moreno (Präsidentschaftskandidat) zusammen mit dem amtierenden Vizepräsidenten Jorge Glas an. Moreno war in Correas erster Amtszeit (2009-2013) Vizepräsident Ecuadors. Er steht für eine Weiterführung der "revolucion ciudadana" und galt als Favorit der acht Kandidaten.
Für die Oppositionspartei CREO tritt der Geschäftsmann und Politiker Guillermo Lasso an, der bereits bei der letzten Wahl (2013) angetreten war. Lasso galt als stärkster Kontrahent Morenos und ist ebenso wie Cynthia Viteri Neoliberalist/in (Neoliberalismus). Sie stehen für massive Steuersenkungen und einen Staatsabbau. Viteri war jahrelang Abgeordnete in der Nationalversammlung und gehört der Christlich Sozialen Partei (PSC) an.
Als vierter Kandidat, der sich Chancen auf die Stichwahl machen konnte, galt der ehemalige Bürgermeister Quitos Paco Moncayo (Mitte/Links).
Die vier weiteren Präsidentschaaftskandidaten lagen den Schätzungen nach deutlich dahinter.
Für Moreno war es wichtig bereits in der ersten Wahlrunde auf 40% (und 10% mehr als sein nächster Verfolger) zu kommen, um somit einer Stichwahl zu entgehen. Im Falle einer Stichwahl würden sich die Neoliberalisten Lasso und Viteri gegenseitig unterstützen, Moncayo hingegen würde niemanden unterstützen wollen. Somit hätte einer der beiden neoliberalen Kandidaten eine gute Chance auf den Wahlsieg in der Stichwahl. Lenin Moreno verpasste mit 39,36% nur ganz knapp die 40% und den direkten Wahlsieg. Lasso kam mit etwa 28% vor Viteri (ca. 16%) und Moncayo (ca. 7%). Die Wahlbeteiligung lag bei etwa 82% (10,5 Millionen Wähler bei 12,8 Millionen Wahlberechtigten).

Resultate der ersten Wahlrunde.
Resultate der ersten Wahlrunde. 
Grün sind alle Provinzen, in denen Lenin Moreno gewonnen hat (13) und blau alle, in denen Guillermo Lasso gewonnen hat. Hier ist ganz stark die Spaltung zwischen der Küste (links/ im Westen) und der Sierra & dem Orient (rechts/ im Osten) zu erkennen.



Sitzverteilung im "Asamblea Nacional"

  Im Gegensatz zur Parlamentswahl 2013 verlor die Regierungpartei 26 Sitze (2013 waren es 100), stellen aber trotzdem erneut die absolute Mehrheit und sind somit nicht auf Bündnisse angewiesen.


2. Wahlrunde (2. April)

Die Stichwahl gewann Lenin Moreno ganz knapp mit 51,16% der Stimmen.

Resultate der zweiten Wahlrunde.
Lenin Moreno gewann in 11 Provinzen und Guillermo Lasso in 13.

Guillermo Lasso hatte bereits vor der Auszählung der Stimmen angekündigt, die Ergebnisse im Falle einer Niederlage nicht anzuerkennen. Direkt nach der Wahl forderte er seine Anhänger dazu auf, für eine Neuauszählung der Stimmzettel zu protestieren. Diese Proteste verliefen oft nicht gewaltfrei. Kritik bekam Lasso dafür vor allem vom amtierenden Präsidenten Rafael Correa. Lassos Partei CREO reichte einige Tage nach der Wahl 11,2% der Stimmzettel zur Neuauszaehlung beim "Consejo Nacional Electoral" (CNE) ein. Die Neuauszählung wurde am Abend des 18. Aprils abgeschlossen. Die Resultate der Stichwahl blieben allerdings unverändert. Lenin Moreno wird am 24. Mai 2017 seinen Parteipartner Rafael Correa als Präsident ablösen.

Lenin Moreno (links) und Rafael Correa (rechts)


politische Zukunft

Nach dem "kalten Putsch" im letzten Jahr gegen die brasilianische Präsidentin Dilma Rousseff, dem Sieg des Neoliberalen Mauricio Macri in Argentinien und den Niederlagen in Venezuela und Bolivien, stellt die Wahl in Ecuador eine Trendumkehr für die lateinamerikanische Linke dar.

Wahlplakat der Partei Aianza PAIS
"Die Zukunft bleibt nicht stehen"

Der Wahlslogan bezieht sich auf Correas Politik der "revolucion ciudadana", die Moreno in Zukunft fortsetzen möchte. Neben der Politik für die arme Bevölkerung, wird Moreno auch eine Politik für Menschen mit einer Behinderung fuehren. Seit eines Raubüberfalls (1998) ist er auf einen Rollstuhl angewiesen. Unter Moreno wird WikiLeaks-Gründer Julian Assange, der seit 2012 politisches Asyl in der ecuadorianischen Botschaft in London beansprucht, nicht um sein Bleiberecht bangen müssen. Lasso hingegen hätte im Falle eines Wahlsieges das politische Asyl Assanges beendet. Eine Herausforderung wird die Wirtschaftspolitik werden, die aufgrund des fallenden Ölpreises erschwert wird. Damit in Verbindung steht auch die Beziehung zu China, die in den letzten Jahren durch Öldeals und Kredite vertieft wurde. Ob Moreno eine genauso enge bilaterale Beziehung zu China wünscht, wie sein Vorgänger Correa, bleibt abzuwarten. Nach dem Sieg in der Stichwahl hat Lenin Moreno betont, "Präsident aller Ecuadorianer" zu sein, um das politisch gespaltene Land zu einen.


Montag, 17. April 2017

Der 16. April

ein Jahr nach der Katastrophe



Der16 April. Seit den Ereignissen im letzten Jahr ist dieses Datum zu einem Trauer und Gedänktag in Ecuador geworden. Gestern vor einem Jahr war jener Tag, an dem ein Erdbeben der Stärke 7,8 weite Teile Ecuadors erschütterte. Um 18:58 Uhr Ortszeit wurden vor allem die Provinzen Manabi und Esmeraldas von dem etwa fünfzig Sekunden andauernden Beben überrascht.
Mehr als 650 Tote und ca. 28.000 Verletzte hinterlies die Tragödie. Rund ein Drittel der Opfer stammen aus dem Küstenort Pedernales, welcher im Norden Manabis und somit auch nah am Epizentrum liegt. 1500 Gebäude wurden zerstört und etwa 20.000 Menschen waren Obdachlos. An vielen Stellen wurde auch die Infrastruktur stark zerstört, was nicht nur die Kosten des Wiederaufbaus in die Höhe trieb, sondern vor allem den Zugang in die betroffenen Gebiete erschwerte. Die Kosten zum Wiederaufbau wurden auf 3,34 Milliarden Dollar beziffert. Die ecuadorianische Regierung stellte 160 Millionen Dollar aus dem Katastrophenfonds als Soforthilfe zur Verfügung. Bis heute sind es 2410 Millionen Dollar. Auch aus dem Ausland gab es finanzielle Soforthilfen (z.B. EU 1 Million Dollar). Noch wichtiger waren zunächst die zahlreichen Helfer aus dem In und Ausland, die humanitäre Hilfe im Kriesengebiet leisteten. Nur wenige Tage nach der Katastrophe waren bereits Experten aus ca. 20 Ländern vor Ort, deren Arbeit allerdings durch die zahlreichen Nachbeben erschwert wurde. Neben der humanitären und finanziellen Hilfe ist auch die psychologische Hilfe enorm wichtig für die betroffenen Menschen. Diese kann aber erst effektiv wirken, wenn die Menschen eine Unterkunft, Nahrungsmittel und Schutz haben. Ohne psychologische Hilfe können unter anderem Alkohol und Drogenabhängigkeit zur großen Gefahr werden. Bisher wurden etwa 7700 Notunterkünfte gebaut und 10000 weitere sind in Arbeit. Landesweit wurden 13.000 Häuser wieder aufgebaut.
Die Wirtscchaft in Manabi und Esmeraldas basiert auf Fischfang, Landwirtschaft und Tourismus und ist daher auch enorm wichtig für Ecuador. Nach dem Erdbeben war die Wirtschaft in diesen Regionen am Boden. In Canoa, einem Küstenort der vom Tourismus lebt, sind mindestens 60 Prozent der Häuser und etwa ein Drittel der Hotels eingestürzt. Viele Menschen dort wollen wieder arbeiten, aber ihn fehlt Geld für den Neuanfang. Noch immer lebt ein Großteil in Zelten oder Notunterkünften, letzteres müssen die Betroffenen zum Teil mitbezahlen. Von den Soforthilfen der Regierung gelangt nur wenig Geld direkt zu den Betroffenen. Daher müssen viele Familien die Reperaturen für den Wiederaufbau (ihres Hauses/ Restaurants/ Ladens) selbst bezahlen. Mittlerweile sind die meisten Hilfsorganisationen abgereist und auch durch den starken Regen in den letzten Monaten (Januar bis April ist Regenzeit) kommen die Aufbauarbeiten in vielen Teilen nur schleppend voran.
Vor allem in Manabi und Esmeraldas hat die Regierung viele Projekte gestartet, um den Tourismus wieder anzukurbeln und gegen die eingebrochenen Besucherzahlen anzukämpfen. In einigen Küsteorten (z.B. Puerto Lopez und Esmeraldas) wurde beispielsweise eine neue Strandpromenade gebaut.
Zum Jahrestag der Katastrophe besuchte der ecuadorianische Präsident Rafael Correa die Stadt Pedernales, um dort an einem Gottesdienst teilzunehmen und anschließend eine Rede zu halten. Um 18:58 gab es eine Landesweite Schweigeminute in Bedenken an die Opfer der Erdbebenkatastrophe.



Links zum Thema:

"Ein Jahr nach dem Erdbeben in Ecuador: Vergessen Sie uns nicht"

"Vier Wochen nach dem Erdbeben: Psychologische Hilfe für Bevölkerung und betroffene Helfer"